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Der Eindruck, dass eine neu zu erlernende Sprache (in der Schule oder im Studium) schwer oder leicht ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die nur zum Teil objektiv beschreibbar sind. Einerseits spielt die persönliche Einstellung zum Sprachenlernen an sich oder zur fraglichen Fremdsprache („Französisch klingt komisch!“, „Die Franzosen sind alle seltsam!“ oder „Französisch ist die Sprache der Gebildeten!“, „Französisch ist immer noch eine wichtige Weltsprache!“), die wie bei jeder Tätigkeit diese erschwert oder erleichtert, eine Rolle.
Andererseits ist auch der „sprachliche Abstand“ der Ausgangs- und Zielsprache ein relevanter Faktor. Darunter versteht man die strukturelle Verschiedenheit zweier Sprachen oder Varietäten voneinander. Beispielsweise sind sich viele Einheiten des alltäglichen Wortschatzes im Deutschen und Englischen sehr ähnlich (trinken – to drink, zehn – ten, Himmel - heaven usw.), während die französischen Entsprechungen für Lernende ohne Kenntnisse des Lateinischen, der Herkunftssprache des Französischen, oder einer anderen romanischen Sprache, nicht herleitbar sind und einfach auswendig gelernt werden müssen (boire, dix, ciel). Dies ist für einen Lernenden mit italienischer Muttersprache allerdings genau anders herum (vgl. bere, dieci, cielo), woraus sich bereits ergibt, dass Sprachen nicht absolut schwer oder leicht lernbar sind, sondern nur relativ zu der eigenen Ausgangsposition.
Die französische Grammatik besitzt nun viele Eigenheiten, die sich im Deutschen nicht finden – dies gilt allerdings auch für das Englische. Deutsche Muttersprachler können ebenso wenig vorhersagen, sondern müssen es einfach lernen, wann man im Französischen welche Vergangenheitsform verwenden muss (Elle téléphona oder téléphonait quand il entra dans le salon), wie wann man im Englischen nun genau die Verlaufsform verwendet (She was talking on the phone when he entered the living room). Da uns in aller Regel die Eigenheiten der muttersprachlichen Grammatik noch viel weniger bewusst sind als Wortschatz und Schreibung, bemerken wir v.a. beim Lernen nicht, wann wir in diesen Bereichen gravierende Fehler machen, da wir einfach die Strukturen unserer Muttersprache auf die Fremdsprache übertragen (das nennt man Interferenz).
Schliesslich findet sich die oft als sehr kompliziert wahrgenommene Schreibung des Französischen (viele Buchstaben werden gar nicht realisiert oder ganz anders als im Deutschen) auch im Englischen, aber u.a. durch die Medien sind wir so häufig mit dem Englischen konfrontiert, dass wir daran eher gewöhnt sind. So ist in frz. <poison> (‚Gift‘) nur der Anfangsbuchstabe (fast) wie im Deutschen realisiert, während <oi> als [wa], <s> wie ein norddeutsches stimmhaftes [z] und <on> wie ein nasaliertes [õ] ausgesprochen werden. Ganz ähnlich aber auch in engl. <tough> (‚widerstandsfähig‘), mit dem unproblematischen Eingangs-t, gefolgt von <ou>, das etwa einem [a] entspricht, und <gh>, das einem [f] entspricht.
Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass eine Sprache nicht an sich schwer oder leicht ist, sondern dass wohl die eigene Motivation eine Fremdsprache zum Vergnügen oder zur Last machen kann. Dies gilt übrigens auch für eng verwandte Sprachen oder Varietäten wie Schweizerdeutsch und Standarddeutsch – je weniger distanziert man zu letzterem steht, desto leichter wird es einem fallen. Wichtig ist natürlich auch ein guter Fremdsprachenunterricht, der die obengenannten Unterschiede systematisch aufzeigt. Ein echter Vorteil beim Fremdsprachenlernen besteht schliesslich in der eigenen Zwei- oder Mehrsprachigkeit (z.B. durch unterschiedliche Muttersprachen der beiden Eltern); je mehr Sprachen jemand beherrscht, desto leichter wird er oder sie neue lernen.